„Wir gehen oft ganz aufgewühlt aus den Meetings“

Frauenstammtisch mit dem Emily und Lisa vom „Feministischen Dorfgeflüster“

Wie gehen Frauen mit sexistischen Angriffen um? Wie steht es um die Gleichberechtigung? Der überparteiliche Frauenstammtisch, dieses Mal moderiert von der grünen Bundestagskandidatin Annette Reif, hatte jetzt mit Lisa und Emily Wernz zwei der drei Schwestern zu Gast, die während des Lockdowns beschlossen haben, ein Netzwerk zu schaffen um feministische Themen zu diskutieren. Mit dem „Feministischen Dorfgeflüster“ (FDG) haben sie einen Nerv getroffen – aus anfangs 30 Mitgliedern sind inzwischen 140 geworden, und das beileibe nicht nur weibliche.


Sie seien keineswegs in feministischer Umgebung aufgewachsen, betonten die beiden Schwestern – Lisa hatte sich aus ihrem Campingbus in Spanien zugeschaltet. Aber dann gingen die Schwestern ins Ausland, Lisa machte ein Praktikum bei einem Maschinenbauunternehmen in Brasilien, wo sie in einer stark männlich dominierten und Bolsonaro-freundlichen Umgebung arbeitete, aber in einem Schwesternhaus wohnte und in einer Frauenkooperative mitmachte. So erlebte sie die krassen Unterschiede und überlegt jetzt, ein Studium in Tender Studies anzufangen.


Emily, in deren Leben die Religion eine große Rolle spielt, machte, während die Schwester in Brasilien war, ein Freiwilligenjahr in Jerusalem, und auch sie entwickelte in der Zeit ihr Gespür für die Benachteiligung der Frauen, „wir haben ganz viel miteinander telefoniert“, erzählte sie, und dabei überlegt, wie man hier etwas ändern könnte. Beide Schwestern arbeiteten lange Jahre in einer Kneipe, auch hier immer wieder mit sexistischen Sprüchen und Übergriffen konfrontiert, die sie „weglächelten“.


Zusammen mit ihrer jüngeren Schwester Lena, die gerade ihr Abitur macht, saßen sie während des Lockdowns in ihrer Heimat Dunningen fest, und so kam es zum „Feministischen Dorfgeflüster“: Inspiriert vom Podcast „Feminismus mit Vorsatz“, der dazu aufruft, Banden zu bilden, taten sie genau dies. Luden Freunde und Familie ein, in der Whatsapp-Gruppe mitzumachen, die schnell wuchs. Inzwischen gibt es regelmäßige, noch digitale Themenabende und auch Platz, um sich gemeinsam aufzuregen. „Das ist ganz wichtig!“, erzählte Lisa. Deutlich wurde in den letzten Monaten, dass enormer Bedarf für den Austausch zu solchen Themen da ist, dass viele Dinge nach wie vor totgeschwiegen werden, dass der Mut, Diskriminierung anzusprechen und dagegen anzugehen, oft fehlt. Rollenbilder auf dem Land, Alltagssexismus, kritische Männlichkeit, Bodyshaming – es gibt viel zu tun. Und daran arbeiten sie nun gemeinsam, geschlechter- und generationenübergreifend.


Auch beim Stammtisch, denn hier waren Frauen dabei, die sich über viele Jahre für mehr Gleichberechtigung in Rottweil und Umgebung engagierten – und inzwischen etwas frustriert „in Rente“ gingen, wie eine Teilnehmerin erzählte, weil es an Nachwuchs fehlte. Umso schöner, dass es nun etwas Neues gibt, und sich junge Frauen hier für mehr Gleichberechtigung einsetzen, fanden sie.


Lisa Wernz erzählte von ganz praktischen Tipps, die in der Gruppe erarbeitet werden: Wie bin ich schlagfertig? Wie reagiere ich? „Wir alle gehen oft ganz aufgewühlt aus den Meetings. Aber auch empowered!“ Es tue einfach gut, mit den Problemen nicht alleine zu sein. „Wir haben jetzt auch einen Batzen Geld bekommen“, erzählt Emily Wernz. Und so könne man die Arbeit des FDG weiter auszubauen, inzwischen seien bereits Leute aus ganz Deutschland mit dabei.


Moderatorin Annette Reif freute sich über den Input, über die Räume, in denen sich nicht nur Frauen austauschen, aber auch lernen zu sagen, was einen stört. Sie selbst arbeitet in einer männerdominierten Umgebung, und sie beobachte sich dabei, dass sie auch manchmal persönliche Angriffe weglächele, „obwohl ich bei fachlichen Themen knallhart bin!“

Der nächste überparteiliche Frauenstammtisch findet am 24. August statt, mehr über das Projekt der drei Schwestern findet man hier: www.fem-dorfgefluester.de