Weiße Rosen gab´s für die Mahnwachenleute, hier Peter Bruker (rechts)

Klepfen gegen Corona und weiße Rosen für die mahnwachenden Grünen

Es war schon ein bisschen wie am Fasnetsmontag in Rottweil: Dunkel, kalt, aber die Menschen strömen in Richtung Obere Hauptstraße, im Stadtgraben ist fast kein Parkplatz mehr zu kriegen. Und am Schwarzen Tor wird geklepft, was das Zeug hält. Gestandene Rössletreiber neben hoffnungsfrohem Nachwuchs, unter dem sich auch ein paar Mädle tummeln – die vermutlich nie im Leben mal in echt Rössletreiber sein werden.


Doch es ist zwar Montag, aber abends kurz vor sechs, eigentlich wäre jetzt, wäre Fasnetsmontag, gleich das Betzeitläuten, und die Narren würden sich zurückziehen. Und es ist ja auch nicht Fasnetsmontag. Eine gewisse Spannung ist trotzdem spürbar, aber nicht die erwartungsvolle auf das Acht-Uhr-Läuten am Schwarzen Tor, wenn endlich die Kapelle den Narrenmarsch spielt und die Rösser durchs Tor tänzeln. Es ist Corona, und die Klepfer wollen einen Gegenpunkt zu den immer mehr werdenden Corona-Spaziergängern setzen. Und man ist gespannt, ob es friedlich bleibt, trotz allem.


Oberhalb des schönen alten Rathauses flattert rot-weißes Band, die Polizei lässt niemanden durch, nur die Presse. In der Absperrung stehen Kerzen, 235 Stück, für jeden Corona-Toten im Landkreis eine. Aufgestellt haben sie Leute vom Forum für Rottweil, dem Stadtjugendring und den Grünen, eine angemeldete Mahnwache, wie die Macher Elke Reichenbach und Peter Bruker betonen. Hier, in der Absperrung, müssen alle FFP2 -Masken tragen. Ein kleines Trüpplein mit Plakaten wie „Impfen statt Schimpfen“, dem ein älterer Herr weiße Rosen überreicht. „Wir haben nur 20 Leute angemeldet und keine Werbung gemacht“, sagt Sonja Rajsp von den Grünen. „Für nächste Woche machen wir Werbung, dann sind wir mehr.“ Mehr sind auf jeden Fall die „Spaziergänger“, die sich unterhalb der Absperrung sammeln, die Polizei hat 1400 gezählt. Und so gut wie keiner trägt eine Maske. Angemeldet sind sie wohl nicht, wie jeden Montag. Die zuständige Dame vom Ordnungsamt mag eigentlich keine Auskunft geben, darf sie nicht, der Pressesprecher ist dafür zuständig, doch der sitzt oben im Rathaus an seinem Schreibtisch. Oder schaut, wie andere Rathausmitarbeiter, aus dem dunklen Erker aus zu, was sich da draußen abspielt.


Kurz nach sechs erklingt eine Trillerpfeife, und die vermutlich 1400 machen sich auf den Weg Richtung Hochbrücktorstraße. Weiter oben wird weiter geklepft. Dann, nach einer halben Stunde, kommt bei der Polizei die Meldung, dass die „Spaziergänger“ jetzt zum Schwarzen Tor kommen. Einige Beamte gehen hoch, und da sind sie schon: Sie kommen vom Stadtgraben die Hochmaiengasse hoch. Die etwa 40 Treiber und die, die es gerne mal wären, geben Vollgas, die Ohren klingeln, die Fotografin kriegt ein paar Streifer ab. Im Schwarzen Tor steht ein Mannschaftswagen, einer der Treiber meint erleichtert: „Wenigstens bleibt das Schwarze Tor jungfräulich.“ Meint: Da gehen heute Abend keine „Spaziergänger“ durch. Im Großen und Ganzen bleibt alles friedlich, teils wird gegrüßt, man kennt sich. Versteht sich allerdings nicht. „Hast Du ein Pamphlet, ein Flugblatt von denen gesehen?“ fragt einer. „Wenn ich wüsste, was die wollen, würde ich vielleicht auch mitlaufen.“ Es wird gewitzelt, irgendwie hat es ja doch was von Fasnet. Aber lustig ist es nicht. Man macht halt das Beste draus.


Kurz kommt es zu Aggressionen, einer der „Spaziergänger“ meint, eine Goaßl hätte ein Kind getroffen. Kommentar eines Zuschauers: „In Rottweil lernen die Kinder rechtzeitig, aufzupassen, wenn einer klepft!“ Oder selbst zu klepfen. Dann will der Mann die Journalistin anzeigen, die ihn fotografiert hat. Er habe das Recht an seinem Bild. Dass er sich hier auf einer öffentlichen Veranstaltung befindet, lässt er nicht gelten. Er gehe hier nur spazieren, meint er, und holt einen Polizisten. Der jedoch auch recht desinteressiert an den Beschwerden des Mannes ist. Also keine Anzeige, das Foto von ihm bleibt in der Kamera.


Noch eine Runde „Spaziergang“ oberhalb des Schwarzen Tores, diesmal wieder Richtung Stadtgraben, und am Ende versammelt sich die Masse wieder unterhalb der Mahnwache. Wird lautstark, pfeift, klatscht. Wem, das bleibt offen. Der eine oder andere wendet sich den mahnwachenden Grünen zu. Ob die Kerzen für die Impf-Opfer stünden, fragt einer.


Weiter oben wird noch eine Weile weiter geklepft. Eine gute Übung sei das, mit der FFP2-Maske, meint einer. Anstrengender als mit der Narrenlarve. „Wir haben ein Zeichen gesetzt,“ ein anderer. Dass die Polizei überhaupt nicht eingriff, den Spaziergängern freie Bahn ließ auch in ihrem Bereich, stößt auf Unverständnis. Und schließlich sogar den Mannschaftswagen aus dem Schwarzen Tor wegfuhr, bevor sich die Menge auflöste.


Weiter unten diskutiert ein maskenfreier Kreisrat mit einer FFP2-tragenden Kreisrätin, die ihn darauf hinweist, dass er sich als Mandatsträger doch an die Gesetze zu halten zu habe und deshalb eine Maske tragen müsste. Was dem älteren Herrn nach eigenen Worten egal ist. Ein anderer, lederbehütet, geht auf Polizei und Presse zu und weist auf die Menge der Menschen und meint ironisch: „Hier, das ist die Minderheit!“ Doch darüber werde in der Presse ja nicht berichtet. Die Rathausmitarbeiter stehen derweil immer noch im unbeleuchteten Erker und schauen dem Treiben draußen zu.