Es war ein sehr angeregtes und intensives Gespräch, das ich mit Deißlingens Bürgermeister Ralf Ulbrich führte. Deißlingen ist so engagiert in Sachen Klimaschutz und Nachhaltigkeit wie nur wenige andere Kommunen in der Region. Immerhin hat man sich auf die Fahnen geschrieben, bis 2050 klimaneutral zu sein und kommt diesem Ziel Schritt für Schritt näher, derzeit plant man zusammen mit der Nachbargemeinde Trossingen eine Windenergieanlage.
Aber zunächst ließ der Bürgermeister seinen Ärger über die Schulpolitik des Landes raus: Ein extrem komplexes Verfahren in Sachen Digitalpakt, auf der anderen Seite wurde jetzt wegen Corona Geld einfach ausgeschüttet und die Kommunen als Schulträger konnten damit machen, was sie wollten. Das Hin und Her in Sachen Weihnachtsferien sei auch nicht gerade hilfreich. Als dreifache Mutter konnte ich das nachvollziehen: Auch ich hätte mir stringentere Entscheidungen aus dem Kultusministerium gewünscht. Ein weiteres Problem: Der Lehrermangel, der durch Corona noch verstärkt wurde – viele Lehrer und Lehrerinnen sind Risikogruppe, da gab es einiges zu sagen. Auf der anderen Seite ist die Gemeinschaftsschule, die Deißlingen zusammen mit Niedereschach betreibt, ein echtes Erfolgsmodell: Sehr engagiertes Personal, das kein Problem damit hat, zwischen den beiden Standorten zu pendeln, im Sommer der erste Jahrgang, der seinen Realschulabschluss hier machte, und das landesweit überdurchschnittlich gut. Dabei ist die GMS die einzige, die zwei Standorte in verschiedenen Landkreisen hat, „es wurde uns nicht leicht gemacht.“ In Sachen Ganztagesschulen läuft es in Deißlingen, die Vereine sind eingebunden und profitieren davon, ebenso das Seniorenforum. BM Ulbrich lobte das Engagement des Landes für die Freiwilligkeit in Sachen Ganztagesschule, die der Staat verbindlich machen will: „Es muss nicht über alles ein staatlicher Deckel gestülpt werden“, findet der Schultes. Dafür brauche es aber auch eine angemessene Vergütung, damit Übungsleiter nachmittags Angebote in den Schulen machen können. Das sei dann kein Ehrenamt mehr, das müsse ordentlich entlohnt werden. „Unsere Schulen verstehen sich als Teil der Dorfgemeinschaft, das ist für alle ein Gewinn.“
Ralf Ulbrich beschrieb die erfolgreiche Neugestaltung der Ortsmitte, hier habe das Sanierungsprogramm des Landes ganz neue Perspektiven eröffnet. Seine Bitte ans Land: Es solle fortgeführt werden, damit mehr barrierefreier und auch sozial geförderter Wohnraum geschaffen werden kann. In Deißlingen ist es gelungen, ältere Menschen in die Ortsmitte in seniorengerechten Wohnraum zu bringen, deren große Häuser an junge Familien gingen. Zudem baut die Gemeinde demnächst Sozialwohnungen in zentraler Lage, wodurch an anderer Stelle auch Platz geschaffen wird für geduldete Flüchtlinge, die nur schwer Wohnungen finden. „Sie sitzen ja auf gepackten Koffern.“ Ein Problem ist die Innenverdichtung, so der Bürgermeister, da private Grundstücksbesitzer kaum zum Kauf bewegen zu seien. Man habe da viel Druck aufgebaut, doch mit sehr geringem Erfolg. 120 Grundstücke gebe es, nur drei davon seien inzwischen bebaut. Die Gemeinde habe über mehrere Jahre auf Neubaugebiete verzichtet und den bauwilligen Familien nahegelegt, sich an Verwandte und Bekannte mit Grundstücken zu wenden. „Dadurch sind die Baulandpreise stark gestiegen“, die Familien hätten mit dem Gedanken gespielt, in Rottweil oder Zimmern zu bauen. „Da mussten wir wieder kommunale Grundstücke anbieten.“ Was er von Bauzwang halte, wollte ich wissen. „Das wird sich kein Gemeinderatsgremium antun“, war die Antwort von Herrn Ulbrich.
Windkraft für Deißlingen
Es ist schön zu sehen, dass Deißlingen gemeinsam mit Trossingen Windräder planen. Es gibt auch keinen Gegenwind aus der Bevölkerung, habe ich festgestellt. Ralf Ulbrich verspricht, es werde dennoch noch eine Bürgerversammlung geben, „aber wir haben gute Voraussetzungen.“ Die geplanten ein bis zwei Windräder kommen auf die Hügel zwischen Deißlingen und Trossingen, nicht die Hauptblickrichtung beider Gemeinden, man schaut lieber auf die Alb. Ich hätte nicht erwartet, dass es so schnell effektivere Technik gibt, denn das Deißlinger Windenergie-Projekt war vor wenigen Jahren aufgrund zu schlechter Kosten-Nutzen-Rechnung auf Eis gelegt worden. Bürgermeister Ulbrich betonte, im Rat gibt es eine regelrechte Vorfreude auf das Projekt. In Sachen Photovoltaik sei allerdings alles an öffentlichen Gebäuden ausgereizt, demnächst komme die Anlage auf das neue Schulgebäude, das allerdings weniger Strom brauchen wird als die Anlage produziert. Speicher sind zu teuer, für die Wasserstoffproduktion ist die Anlage zu klein, die EEG-Förderung zu niedrig, eine Kröte, die man schlucken müsse. Auch sei man in Sachen Photovoltaik der Landesregierung voraus: Im Neubaugebiet gilt Photovoltaikpflicht. „Das schadet den Häuslebauern nicht, im Gegenteil“, meinte der Bürgermeister. Da hätte die Landesregierung ruhig mutiger sein können und ebenfalls PV-Pflicht auf privaten Neubauten im Gesetz verankern können. Am Grünen Mut hat es nicht gelegen *räusper*, aber der Koalitionspartner war zu mehr nicht bereit! Und zum Thema Schiene: Lauffen soll einen Ringzughalt bekommen, hier geht es nach fünf Jahren in Trippelschritten jetzt so schnell, dass Ulbrich sich sorgt, nicht zum Zug zu kommen und die Chance, Lauffen anzuschließen, für immer verbaut wird. Ich habe ihm versprochen, mich bei Verkehrsminister Winfried Hermann für die Pläne stark zu machen.