Wie kriegt frau Familie und Beruf vereinbart, gerade jetzt in Corona-Zeiten? Das war Thema unsres letzten überparteiichen Frauenstammtischs. Gut 20 Frauen diskutierten hier miteinanander, den ersten Input gab Henriette Stanley, alleinerziehend mit zwei Kindern, neun und sechs Jahre alt und Geschäftsführerin der Wirtschaftsförderung Schwarzwald-Baar-Heuberg. Sie arbeitete zuvor an der Dualen Hochschule und hatte das Glück, hier schon viel im Homeoffice machen zu können, wie sie erzählte. „Ich musste Vollzeit arbeiten, weil ich fürs Familieneinkommen zuständig war.“ Auch ihr jetziger Job geht nur in Vollzeit,, „aber das funktioniert auch als Mutter, da habe ich kein schlechtes Gewissen!“ Fremdbetreuung ist für sie kein Problem, sie möchte ihren Kindern vorleben, dass auch Mütter berufstätig sein können.
Isabelle Hetzler hat drei Kinder im Alter von fünf, acht und elf Jahren, und sie zog vor eineinhalb Jahren nach Rottweil, in die Heimat ihres Mannes. Ihren Job im Kulturmanagement gab sie dafür auf, „Homeoffice ging leider nicht.“ Inzwischen lebt sie getrennt, hat einen Halbtagsjob, „das ist sehr herausfordernd“, erzählte Isabelle. Wichtig sei, dass wir Frauen uns besser vernetzen, „das erleichtert den Alltag.“ Was ihr sehr fehlt, sind die Kraftquellen: Sie unterrichtet spirituelles Tanzen, was derzeit nicht machbar ist, und auch so schöne Dinge wie sich in Frauenrunden treffen, tanzen und übers Feuer springen fehlen ihr sehr. „Das macht es besonders anstrengend, weil der Ausgleich fehlt, die Begegnungen.“ Als sie von Ludwigsburg nach Rottweil zog, fehlte zudem die Kinderbetreuung: „Das ist hier noch fast wie in den Fünfzigerjahren“, ihr Mann und sie hatten dieselbe Qualifikation, aber nur einer konnte voll arbeiten gehen. Sie betonte auch, dass beruflicher Erfolg nur dann möglich ist, wenn der Partner einem den Rücken freihält. Was ich nur unterstreichen konnte, sonst zerreißt man sich ständig.
Überraschungsgast des Abends war Cindy Holmberg, sie kandidiert im Wahlkreis Hechingen-Münsingen für den Landtag und vereinbart drei Kinder, Job und Ehrenamt. Gestartet ist sie alleinerziehend, „das brachte mich dazu, politisch aktiv zu werden, ich wollte den sozialen Abstieg nicht hinnehmen.“ Sie setzte sich erfolgreich für Betreuungsgutscheine ein, und auch die Umweltpolitik lag ihr schon immer am Herzen. Ihr Partner hat im Job reduziert, um mehr Zeit für die Kinder zu haben, „aber wir müssen das gemeinsam wuppen.“ Wahlkampf, Unterricht zuhause und der Mann auf Geschäftsreise, das ist nicht einfach, „und ich hab viel Kritik am Homeschooling“, betonte Cindy.
Auch unsre Bundestagskandidatin Annette Reif kennt den Spagat Familie und Haushalt, und das ohne Kinder, wie sie erzählte. Ihr Mann komme aus einer Familie, wo die Mutter Hausfrau war, ihre Mutter war berufstätig. „Mein Mann kam heim und fragte, was es zum Abendessen gibt. Und ich sagte: Schau halt in den Kühlschrank!“ Anfangs habe das zu Spannungen geführt, später zum Entschluss, keine Kinder zu bekommen. „Die wären ganz klar meine Aufgabe gewesen. Und ich wollte nicht alleine die Verantwortung tragen.“ Das klinge vielleicht egoistisch, „aber ich weiß, ich wäre daran kaputt gegangen.“
Eine total starke Entscheidung, fand Cindy, und Maria Sinner, selbstständige Klavierlehrerin und Mutter von vier erwachsenen Kindern, unterstrich das. „Dass wir uns rechtfertigen müssen, ob wir Kinder wollen oder nicht, das ist doch völlig überholt! Wir müssen Frau sein und uns nicht durch Kinder aufwerten.“ Sie selbst habe immer gearbeitet und nie Unterstützung durch Mann oder Eltern gehabt.
„Es ist nicht wichtig, wie uns die Gesellschaft bewertet“, betonte Isabelle Hetzler. Wichtig sind Auszeiten, „ich merke, ich kann mich oben halten, wenn ich ab und zu ein paar Minuten für mich selbst habe“, war meine Ergänzung, Frauen sollten ihre eigenen Bedürfnisse nicht hinten anstellen, sondern ab und zu in den Spiegel schauen und sich selbst sagen, wie toll man alles schafft, das hilft Ingeborg Gekle-Maier, die auch Kinder und Vollzeitjob vereinbart.
Ira Hugger, Grafikerin mit zwei Kindern, würde heute vieles anders machen: Im Familienbetrieb mitarbeiten, Kinder erziehen und nichts verdienen war im Rückblick ein Fehler. „Haushalt hat so wenig Glamour!“ Wenn Männer alle Dienstleistungen, die ihre Frauen liefern, bezahlen müssten, würde die Welt anders aussehen, war sich die Runde einig.
Frauen sind perfekte Mangel- und Krisenmanagerinnen, betonte Katja Chudoba, Mutter von drei Kindern und Mitherausgeberin von Rottweil Inside. Und sie bräuchten einen kleinen aufmunternden Bäpper am Spiegel: „Wertschätzung kann man nur sich selbst geben“, findet sie.
Der nächsten Generation Gleichberechtigung vorleben war ein weiterer Aspekt, das tut auch Marina Jung, Bürgermeisterin von Neuhausen ob Eck und Mutter von drei Kindern zwischen einem und acht Jahren. Die Diplomverwaltungswirtin trat zuvor gegen Jürgen Roth in Villingen-Schwenningen an. Schon mit 24 Jahren hatte sie eine Führungsposition und erhielt viel positive, aber auch viele negative Reaktionen. „Ein Mann kriegt gleich sein gutes Gehalt, eine Frau muss darauf warten.“ Sie sind ja noch jung, das bekam sie oft zu hören. Nach der Niederlage in der Doppelstadt klappte es in Neuhausen, und Mutter sein und Karriere machen, das geht bei ihr zusammen, mit Unterstützung ihres Partners. „Man muss halt jeden Tag neu organisieren.“ Marina Jung betonte auch, dass in der Verwaltung zwar 70 Prozent Frauen arbeiten, die höheren Positionen aber immer noch Männer innehaben, selten auch kinderlose Frauen. „Ich finde das schade, kommunalpolitische Themen wie Kita und Schule sind ja auch unsere.“ Marina Jung hätte als Oberbürgermeisterin ganz sicher nicht die Kita-Gebühren um 86 Prozent angehoben, wie es in Villingen-Schwenningen jetzt kommen wird.
Dass Frauen zu viel auf das achten, was andere über sie denken, ist ein Problem, auch der Neid unter Frauen. Ich bin ja derzeit bei vielen Bürgermeistern, und die warten fast immer drauf, dass ich den Kaffee einschenke, erzählte ich. Und dass ich das ganz bewusst nicht mache.
Gutscheine für Dienstleistungen im Haushalt, wie es sie in Dänemark schon gibt, fanden alle gut, und Ingeborg Gekle-Maier betonte, so lasse sich auch das Problem der zu niedrigen Rente lösen. Mehr Geld für mehr Qualifikation in den Kitas und niedrigere Gebühren: So könnten Eltern früh wieder arbeiten, „und der Staat spart ganz viel Geld bei der Unterstützung von Rentnern!“ Allerdings sagte ich, dass gut verdienende Familien auch ihren Beitrag zum Solidarsystem leisten müssen. Und Sarah Bull, Gemeinderätin in Zimmern, beanstandete die Kita-Öffnungszeiten in ihrem Wohnort, von 7.30 bis 13.30 Uhr, da ist es schwierig, berufstätig zu sein. „Gut, dass Du im Gemeinderat bist und mitentscheiden kannst!“, fand ich. Henriette Stanley setzte sich für kostenlose Kinderbetreuung ein: „Das ist doch schizophren: Schulen und Unis sind frei, und die frühkindliche Bildung nicht!“ Wirtschaft und Politik braucht mehr Frauen, auch da waren sich alle einig, und dass das Gleichberechtigung schon in der Familie vorgelebt werden muss.