Online-Konferenz ein Erfolg
3000 Leute wollten die „Spaziergänger“ nach Rottweil bringen, 800 waren es nach Zählung der Polizei und damit erneut weniger als die Woche zuvor. Eine Menschenkette als Gegendemo gab es diesmal nicht, dafür eine Online-Diskussion, an der 80 Leute teilnahmen. Manche auch anonym, manche erklärten, sie wären schon bei den „Spaziergängen“ in Rottweil dabei gewesen.
In der Oberen Hauptstraße an diesem Montag: Gähnende Leere. Bis auf drei Klepfer, zahlreiche Einsatzfahrzeuge und mehrere Beamte, die die „gute Stube“ Rottweils abriegelten. Gilt hier Maskenpflicht? Nein, sagte der zuständige Einsatzleiter: „Wenn Sie zum Einkaufen wollen…“ Das allerdings ist auch diesen Montag um 18 Uhr nicht möglich, denn die Geschäftsleute haben schnell ihre Waren reingeholt und die Läden dichtgemacht. Wie schon die Montage zuvor. Eine eher paradoxe Situation: Seit Corona blieben die Kunden eher aus, die Straßen und Gassen sind ziemlich leer. Nun füllen sie sich zumindest teilweise sich jeden Montag, aber einkaufen will ja keiner. Sondern demonstrieren. Oder spazieren, eben.
Die, die das wollten, sammelten sich erneut an der Hauptkreuzung, dann ging es die übliche Runde rund um die historische Innenstadt. Begleitet von den Einsatzkräften, die schließlich an der Predigerkirche einen Mann festhielten, um seine Personalien festzustellen. Er hatte laut Angaben der Polizei einen Beamten geduzt, außerdem ziehe man solche Leute raus, die offenbar Rädelsführer seien. Das führte zu Protesten unter den Spaziergängern, die „Pfui“ und „Schämt Euch“ riefen. Schon im Vorfeld hatte die Polizei per Lautsprecher deutlich gemacht: Hier gilt die Maskenpflicht, und das werde man auch überwachen und Verstöße ahnden. Immerhin: Die in diversen Plattformen angekündigte Rückeroberung der Oberen Hauptstraße fand nicht statt, im Rathaus konnte man aufatmen.
Friedlich und respektvoll blieb es auch im Online-Forum, für das die Macher um Elke Reichenbach (Stadträtin FFR) und Peter Bruker (Vorstand Kreisgrüne) Profi-Moderator Christoph Plum und für die Austausch-Gruppen Netiquette-Beauftragte gefunden hatten. Plum führte unter dem Motto: „Wir begegnen uns heute hier als Menschen und mit Respekt vor jedem einzelnen. Vergessen Sie bitte nie, dass auf der anderen Seite ein Mensch sitzt!“ souverän durch den Abend. Und dann konnte man sich austauschen, über die Ängste und Wünsche, in unterschiedlich gemischten Kleingruppen. Hier gab es auch viel Kritik: An den Coronamaßnahmen der Politik, an der einseitigen Berichterstattung in der Presse, daran, dass trotz Corona in Sachen besserer Gesundheitsversorgung nichts passiert ist, daran, dass kritische Stimmen nicht gehört wurden, dass Impfgegner mit Nazis gleichgestellt wurden, dass man hierzulande vor lauter Corona-Ärger die armen Länder vergisst und die Impfpatente nicht freigegeben werden, um schneller auf Mutanten reagieren zu können.
Viele äußerten auch ihre Ängste. Darüber, dass die Gräben in der Gesellschaft schwer zu überwinden sein werden, dass die Kinder und Jugendlichen eine verlorene Generation sein könnten, über die Angst vor einem Rechtsruck in der Gesellschaft. Einig war man sich weitgehend, dass es gut und wichtig war, auf diese Weise wieder miteinander ins Gespräch zu kommen. Und dass es weitere solcher Veranstaltungen geben solle. Die wird es auch geben, mehr Infos und eine Zusammenfassung der Diskussionsergebnisse bekommt man unter rottweil-sagt-ja@gmx.de. Die Ergebnisse werden auch an die Politik weitergegeben, versprachen die Macher des Abends um Elke Reichenbach (FFR-Stadträtin) und Peter Bruker (Grüne). Das Interesse der Medien an dem Online-Forum war übrigens groß: Neben den regionalen war auch der Deutschlandfunk vertreten.