Mischwald und Bejagung: Kürzlich diskutierte ich mit mehr als zwanzig Fachleuten und Interessierten zum Thema Zukunft des Waldes. „Letzte Woche hatten wir die Veranstaltung ‚Zukunft des Bauens‘, und da haben wir schon festgestellt, wir wollen mehr mit Holz bauen“, war meine Einführung. Das erste Statement kam vom Bundestagsabgeordneten Harald Ebner: „Der klimastabile Wald der Zukunft braucht Vielfalt mit mehr Laubbäumen, mehr natürlichem Aufwuchs statt Pflanzung und deutlich weniger Holzentnahme“, so die Kernthese des grünen Naturschutzexperten.
Ebner warf zunächst einen Blick auf den Waldzustandsbericht 2020. Die zuständige Ministerin Julia Klöckner lasse zu, dass der Wald immer weiter sterbe und verteile 1,5 Milliarden Euro als Flächenprämie nach dem Gießkannenprinzip. Bindung an Ökologie und schonende Bewirtschaftung spielten bei Klöckners Hilfen keine Rolle. „Die Förderung muss an ökologische Kriterien gebunden werden“, forderte Ebner. Manche Mittel wirkten sogar schädlich, weil die Böden verdichtet würden, wenn die kranken Stämme herausgeholt werden, das verschärfe auch die Austrocknung und nehme Jungbäumen jede Startchance. Geplante Flächenprämien, getarnt als Vergütung für Klimaschutzleistungen, setzten Fehlanreize zur Pflanzung schnellwachsender Baumexoten, statt für naturnahe klimastabile Waldökosysteme zu sorgen. „Nötig sind daher klare Vorgaben für mehr Vielfalt, für mehr Naturnähe und eine schonende Bewirtschaftung“, so Ebner.
Dr. Jens Borchers leitet im dritten Jahrzehnt zwei Erwerbsforstbetriebe zwischen Schwarzwald, Alb und Allgäu. Diese haben eine vielhundertjährige Tradition. Für die Eigentümerfamilien besaß und besitze der Wald zu allen Zeiten sehr hohe Bedeutung als Einkommensquelle, betonte er. „Das muss auch in Zeiten den Klimawandels so bleiben.“ Borchers denkt mit seinen Förstern daher täglich darüber nach, welche Baumarten und welche Art der Bewirtschaftung den Wald am sichersten in die Zukunft führen. Er hält wenig von Experimenten mit exotischen Baumarten, bricht aber eine Lanze für die Douglasie, die bereits seit 200 Jahren in Deutschland angebaut wird. Einig war er sich mit allen Experten, dass ohne eine konsequente Bejagung die von allen erstrebten Mischwälder keine Chance haben werden. Borchers betonte auch: Eine einfache Lösung gebe es nicht. Und eine Bevormundung des Staates führe zu Wettbewerbsverzerrung. Er lud dazu ein, die von ihm betreuten Fürstenbergischen Forste zu besuchen: „Wir sollten uns auf das Schlimmste vorbereiten, und das miteinander, statt uns zu zerfleischen.“
Und genau darum geht es mir ja auch: „Wir sind hier, um Strategien zu diskutieren: Wie können wir den Wald retten?“
Volker Ziesling von der Initiative „Waldwende jetzt“ schlug andere Töne an: „Die fortlaufenden Holzentnahmen erodieren den Wald von innen heraus und schränken damit seine Leistungsfähigkeit bezüglich Klimaschutz, Grundwasserspeicherung, Biodiversität und CO2- Bindung deutlich ein.“ Er forderte, den schwerkranken Patienten Wald in Ruhe zu lassen. Aktionismus und Technokratie müssten beendet werden, die Holzproduktion komplett eingestellt. Man solle dafür auch den Holzverbrauch beispielsweise in der Papierproduktion reduzieren.
„Uns eint die große Sorge um die Wälder“, stellte Jerg Hilt von der Forstkammer Baden-Württemberg klar. „Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass in unseren Wäldern hochwertiges Holz geerntet werden kann. Das haben wir unseren Vorfahren zu verdanken. Wenn wir für unsere Enkel und Urenkel gesunde und vielfältig nutzbare Wälder erhalten wollen, müssen wir jetzt etwas dafür tun.“ Mit einfachen Rezepten es dabei allerdings nicht getan. Hilt betonte aber auch, dass in Baden-Württemberg nur noch 13,5 Prozent des Walds Monokulturen sind: „Wir haben schon ganz viel erreicht. Die Waldwende hat vor 50 Jahren angefangen.“
Wie wichtig die Jagd für den Wald ist, betonte Alexander Eichener vom ökologischen Jagdverband Baden-Württemberg, denn das Wild frisst alles außer jungen Fichten. „Also müssen wir die Fichte klimastabil machen.“ Gerade der kommunale Forst müsse vielen verschiedenen Interessen dienen: Erholung, Naturschutz, aber auch als Sparkasse der Gemeinden.
Im Rahmen einer lebhaften Diskussion habe ich dann ausdrücklich betont, dass es nicht darum geht, mit grüner Politik die Waldwirtschaft an den Pranger zu stellen. Unser Ziel ist es, die Waldsituation zu analysieren und im Dialog zu gemeinsamen Lösungen zu kommen.
Mein Fazit nach mehr als zwei Stunden Debatte: „Wegen des Klimawandels ändert sich etwas im Wald – ob wir wollen oder nicht. Und wir müssen etwas tun: Den Mischwald neu definieren. Bejagung ist wichtig. Wir müssen auf Bodenschonung achten, zum Beispiel, indem wir den Bodendruck reduzieren. Was für ökologische Kriterien setzen wir an? Wichtig ist ein gutes Miteinander zwischen Politik und Waldbesitzern. Und: Regional ist optimal. Wir wollen heimisches Holz zum Bauen.“ Einig waren wir uns in der Runde, dass wir noch lange nicht ausdiskutiert haben. Weiter geht es mit einer gemeinsamen Begehung eines Forstes in der Gegend. Geplant ist auch ein Termin im Rahmen einer Sitzung der Grünen Landesarbeitsgemeinschaft Landwirtschaft, ländlicher Raum und Ernährung in Stuttgart. Einen Mitschnitt der Veranstaltung finden Sie auf meinem Youtube-Kanal.