„Fürchte, ein Drittel wird abgehängt“ – Jeder Euro für Sozialarbeit gut investiert
„Was macht Corona mit Kinder und Jugendlichen“, so der Titel einer Online-Diskussionsveranstaltung, zu der ich neben einigen Expert*innen auch die Öffentlichkeit eingeladen hatte. Wobei im Resultat klar wurde, dass jede Investition in die Sozialarbeit eine positive und nachhaltige Wirkung erzielt.
Unstrittig ist, dass die Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie mit einer enormen Einschränkungen der Freiheitsrechte einher gehen. Sonja Rajsp wählte das Thema bewusst, um Menschen zu Wort kommen zu lassen, die sich um die Verlierer der Pandemie kümmern, was in der Öffentlichkeit aber wenig beachtet wird.
So berichtete Tamer Öteles, Vorstand der Stiftung Lernen-Fördern-Arbeiten, dass sich die Chancengleichheit für junge Menschen im Zuge der Corona-Politik deutlich verschlechtert habe. Mit ständig neuen Verordnungen und dem Zwang zur Distanz sei es schwierig geworden, benachteiligten Jugendlichen zu helfen. Die Entwicklung sei besorgniserregend, Kinder aus Familien in prekären Situationen würden mehr und mehr abgehängt. Ihm fehlten zudem Mitarbeiter, und der Kontakt zu Betroffenen per Videokonferenz sei sehr schwierig. Zudem sei zu befürchten, dass in Zeiten knapper Haushalte im sozialen Bereich noch mehr gespart werde.
Raphael Deckart (19) erzählte vom ersten Corona-Abitur im Sommer 2020. „Im März fiel der Präsenzunterricht aus und digital funktionierte zunächst überhaupt nichts“, und vielen fehle jetzt die Zukunftsperspektive. „Alles was Spaß macht, Abifeier, Auslandsreisen, Treffen mit Freunden fällt seither flach“. Auch sorgten sich viele junge Leute, dass durch die Pandemie die großen Themen wie der Kampf gegen den Klimawandel in den Hintergrund geraten und einige Jugendliche „nach rechts“ abdriften. Baris Aktas (17) hat unterschiedliche Erfahrungen gemacht: „In der Realschule war bis Sommer 2020 Digitalisierung ein Fremdwort. Jetzt im technischen Gymnasium können wir auf eine sehr gute Infrastruktur und digital kompetente Lehrer bauen“.
Trotz deutlicher Einschränkungen, so Manuela Mayer von der Caritas, hätte sie mit ihren MitarbeiterInnen und vielen Ehrenamtlichen in prekären Situationen Hilfen anbieten können. „Wenn in einer Familie die Finanzen eng sind, wirkt Corona wie ein Brennglas“, so Manuela Mayer. „Es stehen manchmal Leute vor der Tür, die haben kein Geld mehr und nix im Kühlschrank.“ Oft hätten weniger gut situierte Familien eben auch beengte Wohnverhältnisse, was für die Kinder die Lernarbeit daheim erschwere. Und Hartz 4-Empfänger bekommen gerade mal einen Euro pro Monat für Schulausstattung – ein eigener Laptop ist da unmöglich. „Corona macht ganz vieles noch schlimmer“, so die Regionalleiterin.
Von den zahlreichen Diskussionsteilnehmerinnen wurden auch die Prioritäten der sogenannten großen Politik in Frage gestellt. „Es wird mehr über Frisöre als über Schulen diskutiert“, ärgerte sich Peter Schimak, Diplompsychologe und Vorsitzender des Schramberger Kinderschutzbunds. „Ich fürchte, ein Drittel der Kinder wird dauerhaft abgehängt.“
Peter Hirsch, Geschäftsführer der AWO, rief dazu auf, eine klare Haltung zu entwickeln und auch Mittel freizumachen, um die zunehmenden psychischen Probleme aus der Pandemiezeit möglichst schnell anzupacken. „Wir müssen den Menschen, vor allem den Kindern, Perspektiven bieten und die Angst nehmen“.
Die Thematik hat große Bedeutung für meine politische Arbeit. Jeder Euro, den wir in Sozialarbeit, Kinder, Jugendliche, Familien investieren ist gut investiert. Wenn wir hier sparen, dann müssen wir das Geld später an anderer Stelle doppelt und dreifach ausgeben. Deshalb verspreche ich, den guten Austausch mit den Fachleuten auf jeden Fall fortzusetzen. Der Mitschnitt der Diskussion ist auf meinem Youtube Kanal abrufbar.