Unser Statement zum Thema Flüchtlingsbetreuung im Kreis Rottweil

Wie hältst du’s mit der Flüchtlingsbetreuung? Widersprüchliche Statements zur Zeit aus dem Landratsamt und den Helferkreisen. Die Wahrheit liegt wie so oft in der Mitte. Hier das Statement unseres Netzwerks Willkommen – Helferkreises aus Lauterbach:

Wir können das, was die Eva Scherer erzählt hat, nachvollziehen – in den letzten 2,5 Jahren ist ziemlich viel auf dem Rücken der Willkommensnetzwerke ausgetragen worden. Wir hatten, obwohl wir in Lauterbach weit über Soll aufgenommen haben, teilweise monatelang keine/n einzigen Sozialarbeiter/in, der für unsere Flüchtlinge zuständig war.  Wir wissen natürlich, dass es schwierig war, Personal zu bekommen. Auf dem Papier hat der Kreis viele Stellen geschaffen. Wir mussten auf Nachfrage jedoch feststellen, dass dabei vom Hausmeister bis zur Buchhalterin alles mitgezählt wurde – jedoch vor Ort bei der direkten Betreuung niemand außer den Ehrenamtlichen tätig war, da die geschaffenen Stellen nicht besetzt waren. Auch bei uns im Netzwerk gibt es „Verschleißerscheinungen“ – manch eine Helferin hat aufgehört, weil die Belastung einfach zu hoch wurde. Dankenswerterweise ist uns das Lauterbacher Rathaus irgendwann zur Seite gesprungen und übernimmt jetzt das meiste an Formulare-Ausfüllen. Das ist schon eine große Erleichterung.

Die Situation bessert sich – zum einen gibt es mittlerweile mehr Sozialarbeiter, auch von kirchlicher Seite und vom Land bezuschusst in den Kommunen, zum anderen „sind unsere Flüchtlinge aus dem Gröbsten raus“.

Auch wir hier gehen von der Willkommens- in die Integrationsphase über – jetzt ist es wichtig, dass die Flüchtlinge, die noch nicht versorgt sind, in den Integrationskurs kommen, es gibt immer noch eine lange Warteschlange, und danach Arbeit finden. Wir haben viele, die unsere ehrenamtlichen Sprachkurse nutzen. Da suchen wir übrigens noch eine Helferin, die Mittwoch morgens im katholischen Gemeindezentrum „Sonne“ bei der Kinderbetreuung hilft.

Anmerkung von mir: Wenn niemand von offizieller Seite da ist, springt jemand vom Helferkreis ein. So war’s jahrelang, teilweise bis über sämtliche Schmerzgrenzen hinaus. Eine Frau zur Geburt ins Krankenhaus begleiten, Kinder in der Schule anmelden, Arzttermine vereinbaren und dahin begleiten, Formulare-Formulare-Formulare ausfüllen, einen Selbstmordgefährdeten immer wieder retten versuchen – all das und noch viel mehr haben Ehrenamtliche geleistet. Zusätzlich zu diesen Aufgaben, die eigentlich kein Ehrenamt, sondern Hauptamt sind, haben wir schon immer nicht nur die Pflicht erledigt, sondern ehrenamts-typische Sachen organisiert und wunderbare Erlebnisse gehabt: Toll war das erste Willkommensfest im Gemeindezentrum „Sonne“, als gefühlt halb Lauterbach kam, um die „Neuen“ zu begutachten. Wir haben mit einem vollen Bus den Deißlinger Flüchtlings-Benefizkonzertabend besucht. Dann war da der Ausflug nach Stuttgart zu „Cosi fan tutte“; aus diesem Besuch ist der Kontakt zur Sopranistin Cornelia Lanz entstanden, und wir haben die Aufführung der Flüchtlingsoper „ZAIDE – eine Flucht“ nach Oberndorf geholt – eines meiner ganz persönlichen Highlights. Aus dem damals entstandenen Projektchor ist der Chor „Mosaik“ entstanden, der heute noch existiert. Letztes Frühjahr haben wir ein tolles Frühligsfest im Gemeindehaus Lauterbach gefeiert. Regelmäßige Weltcafé-Treffen im evangelischen Gemeindezentrum dienten dem Austausch. Kegeln im Schwanen hat Flüchtlings- und einheimischen Frauen große Freude bereitet. Fahnen bemalen erfreute die Kinder. Unser großes Projekt „Sacha ‚o‘ hanna heißt guten Appetit – Kochbuch mit Rezepten von Geflüchteten“ war grandios und wird uns auch in Zukunft noch beschäftigen.
Jetzt geht es nicht mehr um „das Allernötigste irgendwie hinkriegen“ – mittlerweile haben sich alle im Alltag „eingegroovt“, sind im Sprachkurs (zumindest im ehrenamtlichen), arbeiten schon, sind in Vereinen aktiv (liebe AfD, ja jaaa. Nicht alle – aber viele. Schaut’s euch einfach mal an). Integration geschieht ganz automatisch durch Miteinander kommunizieren und nicht durch Übereinander sprechen / schimpfen / lamentieren.
Mittlerweile sind aus Patenschaften Freundschaften gewonnen.
Und jetzt kommt unser Meisterstück: Wir wollen uns organisieren und eine Unternehmung gründen. Dazu bald mehr Infos in diesem Theater 🙂